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Gewaltvideos auf dem Handy
Kein Medium ist unter Heranwachsenden so verbreitet wie das Handy. Derzeit verfügen laut der JIM-Studie 2012 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest 96 Prozent der 12- bis 19-Jährigen über ein eigenes Mobiltelefon, d. h. das Handy ist zum Alltagsgegenstand für fast alle Jugendlichen geworden. Die technische Ausstattung der multifunktionalen Mobiltelefone hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Eine im Handy integrierte Kamera ist heute Standard. Neun von zehn Handys können Daten per Bluetooth tauschen. Neun von zehn Handys verfügen über einen MP3-Player. 83 Prozent der Smartphones sind internetfähig, jedes zweite Handy hat kleine Anwendungsprogramme (sogenannte Apps) installiert bzw. verfügt über Ortungsmöglichkeiten via GPS. Ein eigenes Smartphone besitzen aktuell 47 Prozent der Befragten und 40 Prozent der jugendlichen Handybenutzer nutzen es bereits regelmäßig mobil.
Für vier Fünftel der in der JIM-Studie befragten Handybesitzer sind die Kommunikationsmöglichkeiten per SMS und Telefon nach wie vor die am häufigsten genutzten Funktionen. Vier Fünftel der Befragten nutzen diese Funktionen regelmäßig. Von 66 Prozent der Jugendlichen wird das Mobiltelefon regelmäßig zudem als Musikabspielgerät verwendet, je 40 Prozent der Befragten nutzen Communities und surfen im Internet via Smartphone. 37 Prozent nutzen das Mobiltelefon mehrmals die Woche zum Fotografieren oder Filmen.
Happy Slapping und Snuff-Videos
Ein Besorgnis erregender Trend aus England greift vor allem unter jugendlichen Handy-Nutzern um sich: das so genannte „Happy Slapping“. Als „Happy Slapping“ bezeichnet man im Englischen ironisch die brutalen Überfälle, die mit dem Handy gefilmt werden und für die die Kameraaufnahme oft das einzige Motiv ist. Gewalttätige Halbstarke schwärmen aus auf der Suche nach Opfern, die sie meist grundlos plötzlich angreifen und verprügeln.
Die Tat wird mit Handy-Kameras gefilmt und anschließend an Freunde als Videoclip oder Foto verschickt oder ins Internet gestellt, wo es für jedermann einsehbar ist. Nach dem tätlichen Angriff drohen dem Opfer mit dem Film neben den körperlichen und psychischen Wunden zusätzlich noch der Spott und die Demütigung (siehe Cybermobbing).
Um dem „Happy Slapping“ und der Verbreitung gewalthaltiger und jugendgefährdender Inhalte entgegenzuwirken, fordert die Polizei auf, alle Fälle direkt zu melden www.polizei-beratung.de, www.bundespruefstelle.de, www.jugendschutz.net. Betroffene Schüler sollen sich in jedem Fall unbedingt an eine Vertrauensperson wenden – entweder an ihre Lehrer, an Mitschüler, an die Schulleitung oder ihre Eltern. Mitschüler und Lehrer, die Fälle von „Happy Slapping“ beobachten, sind aufgefordert, dies umgehend zur Anzeige zu bringen. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch erfüllt unterlassene Hilfeleistung den Tatbestand einer Straftat und wird mit Geldbußen bis zu einem Jahr Haft geahndet.
Snuff-Videos
- Parallel zu diesen abartigen Mutproben kursieren heimlich von Schülerhandy zu Schülerhandy inhaltlich höchst bedenkliche Filme, die körperliche und psychische Demütigungen, Vergewaltigungen, Misshandlungen bis hin zu brutalen Morden und Leichenschändungen darstellen. Diese Video-Clips, auf denen Menschen auf grausame Weise gefoltert und hingerichtet werden, werden „Snuff-Videos“ genannt und können oftmals problemlos aus dem Internet auf Speicher, wie etwa das Handy, heruntergeladen werden. Das englische Verb to snuff out bedeutet „jemanden umbringen, eine Kerze ausblasen, ein Leben auslöschen“, was verdeutlicht, welche abscheulichen und menschenverachtenden Inhalte in diesen Videos transportiert werden. Einmal auf einem modernen Handy gespeichert, genügen wenige Tastenbewegungen, um diese Filme auf andere Handys zu über tragen. Da die Filme im Internet häufig auf ausländischen Servern bereitgestellt werden, ist eine Verfolgung der Täter durch die Polizei oftmals gar nicht möglich. Zudem wird mit den neuen Verbreitungstechnologien wie Internet und Han dy die Unterscheidung zwischen Produzenten und Providern und deren jeweiliger Verantwortung zunehmend schwieriger. Psychologen und Polizei warnen vor den Gewaltvideos, die als „visuelle Mutproben“ unter Heranwachsenden die Runde machen, und vor den fatalen Auswirkungen der visuellen Brutalität auf die jugendliche Psyche.
Rechtliche Hinweise
Hinzu kommt, dass das heimliche Aufnehmen von Personen ‑ z. B. mittels Handy ‑ gegen das Gesetz verstößt und die Weitergabe von rassistischen, pornografischen oder Gewalt verherrlichenden Filmen an Personen unter 18 Jahren strafbar ist. Bei Darstellungen von Kinderpornografie, die auf einen realen Hintergrund schließen lassen, stellt bereits deren Besitz einen Strafbestand dar. Auch das Anbieten, das Überlassen oder jede andere Form des Zugänglichmachens von Medien, die auf der Liste jugendgefährdender Medien der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) stehen und indiziert sind, können strafrechtlich verfolgt werden.
Motive
- Was den Trend zum Filmen von Gewaltvideos in Schulen ausgelöst hat, darüber sind sich auch die Experten uneinig. Die Ursachen der Gewaltbereitschaft können vielfältig sein. Bedeutsam sind laut dem Erlanger Wissenschaftler Prof. Lösel vom Institut für Psychologie der Universität Erlangen-Nürnberg u. a. das Schul- und Klassenklima sowie vor allem die Zugehörigkeit zu bestimmten Cliquen. Einen deutlichen Einfluss haben außerdem der häufige Konsum gewalthaltiger Computerspiele, Video- und Fernsehfilme sowie die Rezeption von Fernsehshows, die extreme Mutproben zeigen. Pubertäre Prahlerei mit strafbaren „Heldentaten“ nebst audiovisuellen Beweisen gelten als weitere Handlungsmotive für „Happy Slapping“.
Handynutzung in bayerischen Schulen
Erlaubte Nutzung
Um eine unterrichtsgemäße und pädagogisch sinnvolle Verwendung digitaler Medien nicht zu beeinträchtigen, dürfen Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien zu Unterrichtszwecken eingesetzt werden. Ebenso soll der verantwortungsvolle Umgang mit Mobiltelefonen und digitalen Speichermedien im Unterricht thematisiert und pädagogisch aufbereitet werden.
Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler in Ausnahmesituationen nach vorheriger Gestattung durch eine Lehrkraft ihr Mobilfunktelefon im Schulbereich verwenden dürfen, um notwendige Telefonate zu führen (z. B. Information der Erziehungsberechtigten über Änderungen im Unterricht oder sonstigen Tagesablauf).
Verbotene Nutzung
Mobilfunktelfone und andere digitale Speichermedien dürfen im Schulgebäude und auf dem Schulgelände ansonsten nicht verwendet werden und müssen ausgeschaltet bleiben. Dies gilt nicht nur für die Unterrichtszeit sondern auch für die Zeit außerhalb des Unterrichts (z. B. Pausen).
Für den Fall, dass Schülerinnen oder Schüler der Aufforderung, ihr Mobilfunktelefon auszuschalten, nicht Folge leisten, ist es den Lehrkräften neben den weiterhin anwendbaren schulischen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen möglich, Schülermobilfunktelefone vorübergehend abzunehmen. Die Dauer des Einbehaltens liegt im pädagogischen Ermessen der Lehrkraft, die unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach den Umständen des Einzelfalls entscheiden wird.
Gesetzliche Regelung
-
Art. 56 Abs. 5 BayEUG:
“Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten. Bei Zuwiderhandlung kann ein Mobilfunktelefon oder ein sonstiges digitales Speichermedium vorübergehend einbehalten werden.” Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst:
FAQ "Darf ich in der Schule wirklich kein Handy benutzen?"
Prävention und Intervention
Neben dem Handynutzungsverbot an Schulen plädiert das bayerische Kultusministerium für eine umfassende Medienerziehung und Gewaltprävention an Schulen. Lehrkräfte sind aufgefordert, sich in Lehrerkonferenzen und in Fortbildungen noch stärker mit der Problematik und den Möglichkeiten des Jugendmedienschutzes zu befassen.
Der gesetzliche Jugendmedienschutz hat die Aufgabe, mediale Inhalte hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials zu beurteilen und deren öffentliche Verbreitung zu regeln sowie strafrechtlich relevante Inhalte zu kontrollieren und zu unterbinden. Der Pädagogik kommt die Aufgabe zu, sich differenziert mit den Ursachen der Gewalt auseinander zu setzen. Zentral ist in diesem Zusammenhang, Reflexionsprozesse bei Heranwachsenden anzustoßen, ihr Unrechtsbewusstsein zu fördern, sie für Ursachen von Gewalt zu sensibilisieren und ihnen positive und aktive Zugänge zu Medien zu ermöglichen.
Als eine präventive Maßnahme gegen schulische Gewalt bieten sich Verhaltenstrainings in Form von Rollenspielen und Streitschlichtung sowie die Einhaltung gemeinsam aufgestellter Regeln an. Hilfreich ist zudem die Einbindung von Fachleuten, wie z. B. Schulpsychologen, Sozial- und Medienpädagogen oder Jugendpolizisten. Flankierend sollte die Elternarbeit ausgebaut werden. Die Erziehungsberechtigten sollten über die Medienwelten ihrer Kinder informiert, über die potenziellen Gefahren aufgeklärt und auf ihre Verantwortung hingewiesen werden. Um mögliche Risiken frühzeitig abschätzen und tragfähige medienpädagogische Praxismodelle sowie Aus- und Fortbildungsangebote für pädagogisch Tätige entwickeln und realisieren zu können, erscheint zudem eine kontinuierliche wissenschaftliche Beobachtung der Medienaneignung Heranwachsender notwendig. Die Gewaltproblematik muss als gesellschaftliche Aufgabe diskutiert werden. Von daher sind alle Institutionen der Bildung, Erziehung und des Jugendmedienschutzes aufgefordert, zusammen zu wirken und mit adäquaten medienpädagogischen Konzepten eine Auseinandersetzung mit Gewalt anzustoßen.
Eine Übersicht über kompetente Ansprechpartner, Portale, Informationen, Materialien und Links zum Thema “Happy Slapping” und zur Gewaltprävention an Schulen finden Sie unter folgenden Adressen:
Links
- Eine Übersicht über kompetente Ansprechpartner, Portale, Informationen, Materialien und Links zum Thema “Happy Slapping” und zur Gewaltprävention an Schulen finden Sie unter folgenden Adressen:
Deutscher Bildungsserver:
Gewaltprävention ServiceBureau Jugendinformation:
Broschüre „Happy Slapping & Co.“ StMUK:
Gewalt ist niemals eine Lösung Medienpädagogisch-informationstechnische Beratungslehrkräfte in Bayern Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein:
Happy slapping und mehr (PDF) Staatlichen Schulberatung in Bayern: Literatur
Lösel, Friedrich u. a. (2002): Gewalttätiges und gewaltfreies Konfliktlösungsverhalten in der Jugend.
- Veröffentlichung
- 31. März 2015
- Letzte Änderung
- 30. Juli 2019
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Direktlink für diesen Beitrag
- https://www.mebis.bayern.de/p/16784
- Empfohlene Zitierweise
- mebis-Redaktion (2015), Gewaltvideos auf dem Handy, in: mebis – Landesmedienzentrum Bayern, URL: <https://www.mebis.bayern.de/p/16784> (30. Juli 2019).
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Schlagworte
- Cybermobbing medienerziehung smartphone
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Lizenzangaben
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Beitragsbild: ©iStock.com/PAPStock