Zu Inhalt springen Zu Fußbereich springen

Private Nutzung digitaler Endgeräte in der Schule

Mit der Novellierung von Art. 56 Abs. 5 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) erhalten alle weiterführenden Schulen sowie beruflichen Schulen in Bayern die Möglichkeit, eigene schulische Regelungen zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte (Smartphones, Tablets, Notebooks etc.) zu erarbeiten.

Für die Überlegungen, ob und wie eine Umsetzung an Ihrer Schule infrage kommt, erhalten Sie in diesem „Thema im Fokus“ relevante Hintergrundinformationen, konkrete Umsetzungstipps sowie Erfahrungswerte aus dem Schulversuch „Private Handynutzung an Schulen“.

Basisbeitrag

Über den Basisbeitrag erhalten Sie grund­legende Informa­tionen sowie weiter­führende Literatur zum Schwerpunkt­thema.

Über den nachfolgenden Link gelangen Sie zur Überblicks­seite mit allen Beiträgen dieses Themas im Fokus.

© istock.com/djvstock (bearbeitet)

Vom Lern- zum Lebensort in Zeiten der Digitalisierung

Nachfolgend werden zwei Entwicklungen skizziert, die aufzeigen, warum es wichtig ist, sich an der Schule mit der Frage der privaten Nutzung von Smartphones und anderen digitalen Endgeräten auseinanderzusetzen.

Vom Lern- zum Lebensort Schule

Eine in diesem Kontext relevante Entwicklung ist der Wandel der Schule vom Lern- zum Lebensort. Bereits seit den 1980er-Jahren ist die Schule die zentrale Bezugsgröße im Leben fast aller Kinder und Jugendlichen. Neben der Familie und der Nachbarschaft ist sie eine immer wichtiger werdende Sozialisationsinstanz und Ausgangspunkt für viele außerschulische Kontakte (Büchner/Krüger, 1996). Verstärkt wurde diese Entwicklung durch den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsangeboten. So stieg laut Bayerischem Bildungsbericht die Zahl der Schulen mit gebundenen Ganztagsklassen von 28 im Schuljahr 2002/03 auf 1.027 im Schuljahr 2019/20 und die der Schulen mit offenen Ganztagsangeboten von 365 auf 1.964 im selben Zeitraum.

Vor allem der Ausbau der offenen Ganztagsangebote hat zur Folge, dass ehemals klassische Freizeitaktivitäten wie Sport und andere musisch-kulturelle Aktivitäten verstärkt auch in der Schule stattfinden und deshalb immer mehr Kinder und Jugendliche deutlich mehr Zeit außerhalb des Unterrichts in der Schule verbringen.

Verschmelzen von digitaler und analoger Lebenswelt

Smartphone und Internet sind heute fester Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Unter den Zwölf- bis 19-Jährigen besitzen 94 % ein eigenes Handy/Smartphone und drei Viertel (zusätzlich) einen PC oder Laptop (JIM-Studie 2021). Digitale Medien gewinnen nicht nur im Schulunterricht zunehmend an Bedeutung, sondern sind mittlerweile zentrale Voraussetzung für die soziale Teilhabe insbesondere von Kindern und Jugendlichen.

Aufgrund der Allgegenwart digitaler Medien und verstärkt durch die Corona-Pandemie verschwimmen die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt zunehmend. Während Erwachsene digitale Medien oftmals (noch) als ergänzendes Informations- und Kommunikationsmittel wahrnehmen und klar zwischen dem „realen“ Leben und dem Leben in Netz trennen, löst sich bei Jugendlichen diese Unterscheidung immer mehr auf. Wie Ergebnisse der JIM-Studie (2021) zeigen, betrachtet mittlerweile ein knappes Drittel der Zwölf- bis 19-Jährigen Face-to-Face- und digitale Kommunikation als gleichbedeutend. Daraus resultiert auch ein pädagogischer Auftrag für die Schule.

 Bildungsbericht Bayern 2021

Hinweis

Zahlen und Fakten zur Entwicklung des Schulwesens in Bayern liefern die Bayerischen Bildungsberichte!

JIM-Studie 2021

Hinweis

Zahlen und Fakten zur Mediennutzung von Jugendlichen finden Sie in der JIM-Studie!

Erkenntnisse aus dem Schulversuch Private Handynutzung an Schulen

Das Erarbeiten und Implementieren schuleigener Regelungen haben sich für die am Schulversuch beteiligten Schulen als gewinnbringend herausgestellt. Die große Mehrheit der Schulleitungen als auch der Lehrkräfte schätzt die an den Schulen entwickelten Regelungen insgesamt positiv ein.

Im Rahmen des zweijährigen Schulversuchs wurde die schuleigene Regelung der privaten Nutzung von Smartphonesund anderen digitalen Endgeräten an weiterführenden Schulen erprobt und dabei auch die medienpädagogische Flankierung in den Blick genommen. Hierfür erarbeiteten 135 Versuchsschulen schuleigene Regelungen und entwickelten diese im schulischen Alltag weiter.

Der Schulversuch wurde durch eine Evaluation des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) begleitet. Hierfür wurden Schulleitungen, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler an 135 Versuchsschulen zu drei Messzeitpunkten befragt sowie eine Kontrollgruppe von 131 Schulen zu zwei Messzeitpunkten. Darüber hinaus stellten die Versuchsschulen ihre Regelungen für eine inhaltliche Auswertung zur Verfügung – in einer ersten Version (März 2019) und in einer weiterentwickelten Fassung (Februar 2020).

Zentrale Ergebnisse

Weniger Konflikte und Verstöße: Schulleitungen und Lehrkräfte stimmen darin überein, dass es seit Einführung der schuleigenen Regelungen zu weniger Problemen hinsichtlich der Nutzung von Handys und anderer digitaler Endgeräte gekommen ist. Die Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie ihr Handy jetzt seltener ohne Aufforderung durch die Lehrkraft nutzen. Dies hatte eine Entlastung der Lehrkräfte zur Folge, die weniger Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen aussprechen mussten.

Verbessertes Schulklima: Die schuleigene Regelung über die Nutzung mobiler Endgeräte hat einen positiven Effekt auf das Schulklima. Rund 80 % der Schulleitungen und die am Schulversuch beteiligten Lehrkräfte sind einhellig der Auffassung, dass sich das Klima an ihrer Schule durch die neuen Regelungen verbessert hat.

Beteiligung der Schulfamilie: Ein wesentliches Gelingenskriterium ist die Beteiligung aller Mitglieder der Schulfamilie an der Erstellung der schuleigenen Regelungen. Wenn neben Schulleitung und Lehrkräften auch Schülerinnen und Schüler sowie Erziehungsberechtigte ihre Erfahrungen und Wünsche in den Ausgestaltungsprozess einfließen lassen können, erhöht dies die Chance, dass die Sinnhaftigkeit der getroffenen Regelungen von allen verstanden und geteilt und im Schulalltag seltener gegen die Regelungen der Schule verstoßen wird.

Passgenaue Ausgestaltung der Regelungen: Eine gutes Regelwerk ist an den speziellen Gegebenheiten der Einzelschule ausgerichtet. Folglich weisen die Regelungen der Versuchsschulen eine große inhaltliche Bandbreite auf, von eher restriktiveren Regelungen bis hin zu Regelungen mit weitreichenden Freiheiten. Generell haben sich eher einfach strukturierte Regelungen mit einer vergleichsweise geringen Anzahl klar formulierter Regeln als zielführend erwiesen. Derartige Regelungen haben u. a. den Vorteil, dass sich Schülerinnen und Schüler die einzelnen Regeln besser einprägen und diese auch befolgen können und Verstöße leichter erkannt und konsequent sanktioniert werden können.

Einbettung in ein medienpädagogisches Gesamtkonzept: Das Einführen der Regelungen soll durch verschiedene medienpädagogische Maßnahmen flankiert werden. Neben dem Thematisieren im Unterricht sind spezifische Projekte (ggf. mit externen Partnern) für Schülerinnen und Schüler, Informationsveranstaltungen für Erziehungsberechtigte zum Thema Handynutzung und vor allem themenbezogene SCHiLFs für Lehrkräfte sinnvoll.

Besonders häufig wurden Maßnahmen zu folgenden Themen durchgeführt:

  • Datenschutz, Urheberrecht und Persönlichkeitsrechte,

  • Umgang mit verletzendem Online-Handeln,

  • Suchen und Verarbeiten von Informationen,

  • Reflektieren über die eigene Nutzung digitaler Medien.

© istock.com/monkeybusinessimages

Ergebnisse aus der Datenerhebung

Gesamtbewertung

"Private Handynutzung an Schulen" © ISB

Auswirkungen auf Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen

"Private Handynutzung an Schulen" © ISB

Auswirkungen auf das Schulklima

"Private Handynutzung an Schulen" © ISB

Ein Einblick in das Thema im Fokus

Ziel des „Themas im Fokus“ ist es, alle weiterführenden und beruflichen Schulen bei dem Erstellen der schuleigenen Regelungen für die private Nutzung digitaler Endgeräte zu unterstützen. Die Einzelbeiträge liefern hierzu ein breites Angebot relevanter Informationen und Materialien.

Die Unterstützungsmaterialien beinhalten unterschiedliche Typen von Material:

  • (Hintergrund-)Informationen (z. B. rechtliche Regelungen, Stand der Forschung)

  • praktische Erfahrungen und hilfreiche Tipps (z. B. Regelungsbedarfe, medienpädagogische Begleitprojekte)

  • konkrete Materialien (z. B. Vorlagen für Regelungstexte, teachSHARE-Kurs)

Die Neuregelung von Art. 56 Abs. 5 (BayEUG) verpflichtet Schulen nicht dazu, eigene Regelungen für die private Nutzung von Smartphones und anderen digitalen Endgeräten zu entwickeln und damit private Nutzungsmöglichkeiten an der Schule zu eröffnen.

Im Vorfeld kann es deshalb hilfreich sein, zunächst Pro- und Kontra-Argumente hierfür abzuwägen. Darüber hinaus erlaubt ein Blick in den aktuellen Stand der Forschung eine empirisch fundiertere Beurteilung möglicher Chancen und Risiken. Zentral für eine Entscheidung ist die Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der durch die Novellierung des Artikels 56 Abs. 5 (BayEUG) vorgenommenen Änderungen.

Wenn sich eine Schule für das Erstellen von Regelungen für die private Nutzung digitaler Endgeräte entschieden hat, stößt sie einen Schulentwicklungsprozess an. Wie ein solcher Prozess idealerweise initiiert und organisiert wird und was dabei zu beachten ist, ist ebenfalls Gegenstand dieses Themas im Fokus. Neben arbeitsorganisatorischen Fragen sind in der Phase der Projektplanung auch eine Reihe inhaltlicher Aspekte zu klären: Welche Bereiche sollen mithilfe der Regelungen festgelegt werden? Was soll erlaubt, was verboten sein? Anregungen für die inhaltliche Gestaltung und den strukturellen Aufbau der Regelungen sind in einer Art Leitfaden zusammengestellt.

  • Nutzungszeiten

  • Nutzungsorte

  • Gerätetypen

  • Jahrgangsstufen

Darüber hinaus werden Beispiele gelungener schuleigener Regelungen aus verschiedenen Schularten vorgestellt und in Auszügen präsentiert. Mehrere Vorlagen werden zur Verfügung gestellt und können von den Schulen individuell angepasst werden.

Das Einführen der schuleigenen Regelungen zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte an der Schule soll durch flankierende medienpädagogische Maßnahmen unterstützt werden. Verschiedene derartige Maßnahmen für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Erziehungsberechtigte sind in einem Ideenpool zusammengefasst. Der teachSHARE-Kurs „digital & smart“ ist eine solche Maßnahme.

Literatur und Links

Büchner, Peter; Krüger, Heinz-Hermann (1996): Schule als Lebensort von Kindern und Jugendlichen. In: Peter Büchner ; Heinz-Hermann Krüger (Hrsg.) Vom Teddybär zum ersten Kuss. Studien zur Jugendforschung, Band 16, VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 201-224 https://doi.org/10.1007/978-3-322-95789-4_8

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM-Studie 2021. Zugriff am 13.06.2022. Verfügbar unter: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2021/

Landesamt für Schule, Qualitätsagentur (2021): Bildungsbericht Bayern 2021. Zugriff am 13.06.2022. Verfügbar unter: https://www.las.bayern.de/qualitaetsagentur/bildungsberichterstattung/bildungsbericht_bayern_2018.html

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, Qualitätsagentur (2012): Bildungsbericht Bayern 2012. Zugriff am 13.06.2022. Verfügbar unter: hhttps://www.las.bayern.de/qualitaetsagentur/bildungsberichterstattung/portal/bildungsberichte/bildungsbericht2012.html

© istock.com/JuliarStudio

 Redaktion

Thema im Fokus Private Handynutzung an Schulen (Juli 2022)

Redaktionelle Leitung
Referat Medien­didaktik am Staats­institut für Schul­qualität und Bildungs­forschung München (ISB)

Beiträge
Arbeits­kreis „Private Handynutzung an Schulen“

Beitragende
Jochen Arlt (ISB)
Markus Teubner (ISB) 
Michael Debbage-Koller (AK)
Thomas Geyer (AK)
Gernot Heym (AK)
Christiane Hubert (AK)
Benjamin Schmidt (AK)
Diana-Marie Wunder (AK)

Weitere Beiträge

Alle ansehen (11)

Warum (k)eine schuleigene Regelung?

Der Beitrag gibt Orientierung zur Frage, ob an der Schule Regelungen für die private Nutzung von Smartphones und anderer digitaler Endgeräte eingeführt werden soll.

Flankierende medienpädagogische Maßnahmen

Medienerzieherische Projekte, Lehrerfortbildungen und Informationsveranstaltungen für Eltern sollten die Einführung der schuleigenen Regelung zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte begleiten.

Rechtliche Fragestellungen

Welche Möglichkeiten bieten sich weiterführenden sowie beruflichen Schulen durch die Novellierung des Artikels 56 Abs. 5 in Hinblick auf die außerunterrichtliche Nutzung digitaler Endgeräte?

Zu Seitenstart springen